Selektivitätsanalysen

Anwendungsbeispiel

In der nachfolgenden Darstellung ist ein einfaches Einliniendiagramm (Single-Line-Diagramm, links im Bild) einer Elektroenergieversorgung mit entsprechendem Selektivitätsdiagramm (rechts im Bild) dargestellt. Die Anlage umfasst einen Transformator, eine Hauptverteilung NSHV, zwei Unterverteilungen und mehrere Endstromkreise, von denen pro Unterverteilung jeweils nur drei exemplarisch dargestellt sind. Das Netz ist in mehrere Schutzbereiche aufgeteilt.

Von der Einspeisung aus gesehen, sind die folgenden Schutzgeräte installiert: ABB Mittelspannungsrelais REF615, ABB Leistungsschalter Emax 2500 A, ABB Leistungsschalter Tmax 250 A, Sicherung 80 A, Leitungsschutzschalter ein- und dreipolig 16 A. Die Nennströme und Einstellwerte sind jeweils in roter Schrift neben dem Schutzsymbol dokumentiert.

Tritt nun in einem der Endstromkreise ein Kurzschluss auf, so soll dieser durch den unmittelbar vorgelagerten Leitungsschutzschalter selektiv abgeschaltet werden, so dass der fehlerbehaftete Abgang vom Netz getrennt wird. Die übrigen Abgänge werden dann unterbrechungsfrei weiterversorgt. 

Selektivität muss für den Fall der Überlast wie auch für den Kurzschlussfall gegeben sein. Im Gegensatz zur Überlastsituation fließen bei einem Kurzschluss sehr große Ströme. Da diese großen Ströme die Betriebsmittel stark belasten können, muss die Abschaltung in möglichst kurzer Zeit erfolgen. Befinden sich mehrere Schutzgeräte in einer Versorgungskette hintereinander, so ergibt sich aus der Forderung nach Selektivität für das erste Schutzorgan in der Kette die größte Abschaltzeit, für das letzte Schutzgerät die kleinste Abschaltzeit.

Dieser Umstand ist auch im Single-Line-Diagramm auf der linken Seite ersichtlich, wenn man die Verzögerungszeiten T>> der Leistungsschalter Emax (250 ms) und Tmax (100 ms) vergleicht. Um die Abschaltzeiten möglichst gering zu halten ohne die Selektivität zu gefährden, müssen die Nennströme bzw. Einstellwerte der Schutzgeräte funktional aufeinander abgestimmt sein.

Netz- und Komponentenschutz

Aus dem Vergleich der Strom-Zeit-Kennlinien der Schutzorgane ist ersichtlich, dass sich die Kennlinien der Leistungsschalter nicht schneiden. Dies wird durch die Programmierung entsprechender Verzögerungszeiten in den Geräten erreicht. Insgesamt müssen auch die Leistungsschalter im Vergleich zur Sicherung verzögert werden, so dass auch hier keine Überlappung der Kennlinien vorhanden ist.

Die Sicherungskennlinie wiederum liegt mit deutlichem Abstand rechts von der Kennlinie des Sicherungsautomaten. Sie soll nur bei stromstarken Kurzschlüssen die Sicherungsautomaten schützen. Bei stromschwachen Kurzschlussströmen wird die Vorsicherung nicht auslösen und verhält sich damit selektiv zu den Automaten.

Zuletzt müssen auch die relevanten Kurzschlussströme in das Selektivitätsdiagramm eingetragen werden, um die Selektivität zu bewerten. Im vorliegenden Fall liegen die relevanten Ströme stets im Schutzbereich des entsprechenden Schutzgerätes. Damit ist es ausreichend, wenn darauf geachtet wird, dass sich die Kennlinien im Selektivitätsdiagramm nicht schneiden.

Selektivität kann generell jedoch auch dann erreicht werden, wenn sich die Kennlinien schneiden, nämlich dann, wenn in den Schnittbereichen keine relevanten Ströme auftreten.